Es war ein freudiger Tag als Lydia und Alexei Voronin endlich ihre gemeinsame Tochter im Arm halten konnten. Das amerikanisch-russische Paar hatte sich auf der Universität in Pittsburgh kennen und lieben gelernt und ebenso schnell geheiratet, damit Alexei weiterhin in den USA bleiben kann. Doch während die restlichen Meilensteine einer Ehe recht schnell erreicht wurden, lies das erste Kind lange auf sich warten. Fast zehn Jahre hatten sie es versucht, als Lydia endlich schwanger wurde. Die kleine Tatiana Azaliya, wie sie von ihren Eltern genannt wurde, erwartete zwar eine strenge, aber dennoch liebevolle Erziehung. Doch mit dem Ausbruch des Cordyceps Pilzes sollte sich alles schlagartig ändern. Zunächst wollten die Beiden Eltern allein klar kommen und verschanzten sich in ihrem Haus und hofften den Schrecken aussitzen zu können. Doch Lydia wurde infiziert und so entschlossen sie zum Wohle ihrer Tochter in einer der Quarantänezonen zu begeben. Dort wurde Lydia jedoch im Rahmen des Quarantäneprogramms aussortiert und von ihrer Familie getrennt.
Der Fakt, dass man Alexei nie hat sich von seiner Frau verabschieden lassen, verbitterte ihn so sehr, dass er sich einer Rebellengruppe an schloss, welche jedoch nach nur wenigen Wochen im Keim erstickt wurde. Alle Mitglieder wurden getötet, so auch Alexei, was nun aus Tatiana eine Vollwaise machte. Sie kam in ein Waisenhaus, wo es ihr zunächst sichtlich schwer fiel, sich mit den anderen Kindern anzufreunden. Auch wenn Tatiana zu diesem Zeitpunkt gerade einmal vier Jahre alt war und man meinen mochte, sie wäre noch zu jung, um all das zu begreifen, so schien all das doch nicht ganz spurlos an ihr vorbei zu gehen. Vor dem Ausbruch war sie ein fröhliches und aufgewecktes Kind, doch seit sie in Pittsburgh lebte, wurde sie zunehmend ruhiger und auch ein Stück weit verhaltensauffällig. Die meisten Kinder meideten das Mädchen und so hatte sie in den ersten Jahren auch keine Freunde. Doch sie hatte schon immer eine sehr gute Auffassungsgabe. Sie beobachtete die anderen Kinder, ahmte deren Emotionen nach und lernte so, wie sie sich zu verhalten hatte um als ‘normal’ angesehen zu werden aber vor allem wie sie mit ihrem Verhalten bestimmte Reaktionen bei ihrem Gegenüber hervorrufen konnte. Auch wenn Tatiana nun ein paar Freunde hatte so blieben die gewaltsamen Ausbrüche ihrerseits noch immer bestehen, besonders dann, wenn ihr eines der anderen Kinder zu sehr auf die Nerven ging.
Tatiana war 12 Jahre alt als ihr gesagt wurde, dass sie adoptiert wurde und fortan eine neue Familie hatte. Etwas, was in diesem Alter nur noch sehr selten vorkam, doch Richard Spencer, ein hochrangiges Mitglied von FEDRA, hatte ihre Masche durchschaut, ihr Talent erkannt und welchen Nutzen sie für die Organisation haben konnte. Neben der normalen Schule erhielt sie Kampf- und Waffenunterricht und wurde in verschieden Verhörtechniken eingewiesen. Auch wenn Richard alles andere als ein liebevoller Mann war, hatte Tatiana ihn mit der Zeit in ihr Herz geschlossen und sieht zu ihm auf. Schließlich war er die Person die sie aus diesem Waisenhaus geholt hatte und eine Zukunft in ihr sah. Sie sah zu ihm auf, wollte, dass er stolz auf sie war und war wohl die Person, welche am ehesten eine Vaterrolle für sie gleich kam. Und so galt auch ihre Loyalität ausschließlich FEDRA.
Mit 17 hatte sie ihren ersten Auftrag als Spionin, wobei sie den Klassenkameraden ausfindig machen musste, dessen Eltern einer neuen Rebellengruppe angehörten. Sie war erfolgreich und so folgten weitere kleine Aufträge, die mit der Zeit größer wurden und sie schließlich zwei Jahre später zum ersten Mal einen Menschen im Auftrag für FEDRA getötet hatte.
Als es zu größeren Rebellionen in Pittsburgh kam, ließ Richard die Stadt hinter sich und agierte fortan in Boston. Tatiana folgte ihm und kam auch dort ihrer Tätigkeit als Spionin nach, ist aber auch gelegentlich dafür verantwortlich, gewisse Personen auszuschalten. Aktuell hat sie sich im Hauptquartier der Fireflies eingeschleust und operiert unter dem Namen Natalia Lorene Mercer, um nicht in Verbindung mit FEDRA zu gelangen.

❞Fate is like a strange, unpopular restaurant filled with odd little waiters who bring you things you never asked for and don't always like.❝

Die Welt war noch in Ordnung, als Chrysthema Erin Grayson im Morgengrauen des 27. März 2006 geboren wurde. Der gesamte Raum war gefüllt und je peinlicher es auch mit jedem Jahr wurde, zauberte das Video der gesamten Familie ein Lächeln aufs Gesicht. Mit einem alten Camcorder hatten die Kollegen von Dr. Evangelique Grayson die Geburt aufgenommen, damit sich die gesamte Familie auch Jahre später daran würde erinnern können. Dr. Grayson war Allgemeinchirurgin im Cheyenne Regional Medical Centre in Wyoming, dem besten Krankenhaus im Cowboy State und dementsprechend war es auch kein Wunder, dass sie ihre erste und einzige Tochter im Herzen des Staates zur Welt gebracht werden sollte. Evangelique und Robert Earl Grayson zogen ihre Tochter in einem Vorort von Cheyenne groß, ihr Vater ließ sich untypischerweise als Hausmann nieder, während ihre Mutter mit ihrer Arbeit das Geld verdiente. Demzufolge blieb es Chrysthema erspart, den örtlichen Kindergarten zu besuchen, konnte ihre ersten Lebensjahre stattdessen in einem typischen Vororthäuschen mit Vorgarten und Veranda verbringen. Schon, während sie die ersten Fünf Jahre zuhause verbrachte, lernte sie schnell. Sie übersprang das Krabbeln und fing sofort an zu laufen, verzichtete gänzlich auf die nur allzu bekannte Babysprache. Schon früh wuchs sie zu einem differenzierten Kind heran und zeigte sich als kleines Energiebündel mit einer Ruhelosigkeit, die sich durch ihr gesamtes Leben ziehen sollte. Mit fünf Jahren schickten ihre Eltern sie zur Elementary School, wo sie das erste Mal alleine mit anderen Kindern interagieren musste. Schnell wurde sie ausgeschlossen, da sie einfach anders war als die meisten Kinder. Bereits mit 6 Jahren konnte sie ganze Bücher lesen und einfache Rechenaufgaben lösen. Da sie nicht einmal eine Hand voll Freunde hatte, durfte sie, statt ihre Nachmittage mit anderen Kindern zu verbringen, ihre Mutter in die Klinik begleiten, mit Instrumenten oder Verbandmaterial spielen und die Bücher ihrer Mutter durchblättern.
Als Chrys 7 Jahre alt war, brach die Hölle über die Welt ein. Immer mehr Menschen wurden krank, starben und die Infrastruktur brach zusammen. Die Graysons flüchteten sich in die Klinik im Herzen Wyomings, als es die Möglichkeit noch gab. Ärzte wurden händeringend gesucht und so wurden freie Bereitschaftszimmer zu hoffentlich nur vorübergehenden Wohnungen. Am Anfang dachten noch alle, sie hätten es unter Kontrolle, könnten die Infektion aufhalten und die Menschheit retten. So wurden aus den vorübergehenden Wohnungen Jahre, die sie in der Klinik verbrachten. Je älter Chrys wurde, desto mehr lernte sie. Erst wollte Evangelique ihre Tochter aus allem heraushalten. Sobald sie 10 wurde, durfte sie aber erstmals mit bei Verbänden von Wunden helfen, Menschen Essen anreichen und Verletzte versorge. Sie war 12, als sie das erste Mal impfte, Medikamente gab, einen Zugang legte und Blut abnahm. Schon bald konnte sie komplette Ersttriagen durchführen und die grundlegende Diagnostik übernehmen. Doch mit der Zeit infizierten sich immer mehr Menschen und starben an der Infektion oder wandelten sich. Mit 15 nahm ihre Mutter Chrys das erste Mal mit in den OP Saal. Natürlich nicht ohne sich die letzten Jahre genügend belesen zu haben, lernte die junge Grayson schnell, was es hieß, eine Ärztin zu sein. Doch wollte sie auch niemals etwas anderes. Es fühlte sich an, als wäre genau das ihre Bestimmung. Wie es gewesen wäre, wenn die Welt anders gewesen wäre, interessierte sie auch nicht. Das Krankenhaus wurde 2018 von Infizierten überrannt, nach einigen mehr oder minder erfolgreichen Jahren, und somit wurde der Traum aller zunichte gemacht. Die Realität, die vor den Toren auf Chrys gewartet hatte und die sie die letzten Jahre verdrängen konnte, brach in dem Moment über sie herein, als ihr Vater von einem Infizierten zerrissen wurde. Sie verließen fluchtartig das Krankenhaus mit allem, was sie greifen und tragen konnten und flüchteten in die Welt hinaus. Sie rannten, bis ihre Füße offen waren und von mehreren hundert Mitarbeitenden blieb nur noch eine Hand voll übrig. Und die, die nicht bei der Überlagerung des Krankenhauses gestorben waren, erkrankten Stunden bis Tage später an den ersten Symptomen. Darunter auch Evangelique Grayson. Sie waren infiziert. Die Anzahl der Menschen halbierte sich erneut und die die übrig waren, trennten sich. Chrys zog einige Zeit mehr oder minder erfolgreich allein durch Wyoming, bis sie sich einer kleineren Gruppe anschloss, um diese als Ärztin zu unterstützen. Doch Vorräte und medizinische Ressourcen wurden immer spärlicher, kaum noch aufzutreiben und mit der Zeit war nur noch die sogenannte Schlachtfeldmedizin das, was den Menschen helfen konnte. Kein Antibiotikum auf der Welt vermochte die Infektion aufzuhalten, ein paar wenige Erfolge wurden verzeichnet, die den Ausbruch aber nur im wenige Tage strecken konnten. Nichts. Aus Chrys wurde eine brauchbarere Überlebende als zuvor und sie konnte in kleineren Gruppen losziehen und selbst bei der Ressourcenbeschaffung unterstützen.
Vor sieben Monaten befand sie sich auf einer Beschaffungstour mit zwei weiteren aus der Gruppe, sie wollten neue Intiinflammatorika besorgen, die die Inkubation verlangsamen sollten. Von dieser Tour kehrte Chrys niemals zurück.
'The Chosen' nahmen sich ihrer an. Es wurde Hoffnung in die Ärztin gesetzt, dass sie ein Heilmittel entwickeln sollte. Ein Heilmittel entwickeln würde. Und das versucht sie. Doch genauso sehr versucht sie zu fliehen. Stellt sich nur die Frage, was eher gelingen wird. [tbc]